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Die Treviris und ihr Konzertsaal

Im Jahre 1895 taten sich unter Führung des Rechtsanwalts Dr. Damian Görtz einflussreiche und angesehene Trierer Bürger zusammen und gründeten die Aktiengesellschaft "Katholisches Vereinshaus Treviris", deren Ziel es war, "den hierorts bestehenden katholischen Vereinen, insbesondere solchen socialer Wirksamkeit, soweit sie ein Heim nicht haben, Unterkunft zu gewähren und deren Zwecke zu fördern."  Von Beginn an war geplant, "ein Vereinshaus, ähnlich den englischen People-Palacehouses (Volkshäusern), zu erbauen, welches weiten Volkskreisen, Vereinen und gemeinnützigen Gesellschaften ein angenehmes Heim bieten sollte, wie solches in Trier noch nicht vorhanden war". Hierfür erwarb die Gesellschaft alsbald in der Jakobstraße 29 ein Grundstück "mit grossen alterthümlichen Baulichkeiten, die mit ihren vielen Sälen sich vorzüglich für den Verein eigneten", und betrieb dort zur Finanzierung des Vorhabens eine Wirtschaft sowie einen Weinhandel. Noch im Gründungsjahr wurden erste Umbauarbeiten unter Leitung des Kreisbaumeisters Eberhard Lamberty, neben Carl Walter jr. der bedeutendste Trierer Architekt des ausgehenden 19. Jahrhunderts, begonnen, so dass bereits am 8. März 1896 "Se. Bischöfliche Gnaden, unserer hochverehrter hochwürdigster Herr Bischof Dr. Korum" die Weihe des Hauses vornehmen konnte. Mit Rücksicht auf die Fastenzeit war neben der Geistlichkeit der Stadt als weltlicher Vertreter lediglich "Oberbürgermeister Geheimer Regierungsrat de Nys" zu dieser Festlichkeit geladen.

Zwei Jahre später, am 10. Juli 1898 wurde dann in einem feierlichen Akt der Grundstein zum Treviris-Saalbau gelegt. Die Pläne für diesen imposanten Bau lieferte der Berliner Architekt August Menken (1858 - 1903), von dem auch die Rosenkranzkirche in Bad Neuenahr stammt. In der "Festschrift des Katholischen Vereinshauses Treviris zum Musik-Feste der Städte Trier, Coblenz, Saarbrücken und St. Johann am 20. und 21. Mai 1900" steht über diesen Bau folgendes zu lesen: "Auch bei der Ausarbeitung und Feststellung des neuen Projects ging man von weitschauenden Gesichtspunkten aus. Der geniale Plan des Regierungs-Baumeisters Menken in Berlin wurde unter vielen ausgewählt und von demselben ausgeführt. Der Neubau ist in modernem Styl gehalten und aus dem vorzüglichsten Material gebaut. Die Grundfläche des Gebäudes beträgt 1569 qm, die des Grundstückes 6300 qm. Der Concertsaal hat 1250 qm Fläche bei 11000 cbm Inhalt und kann Sitzplätze für 2500 Personen bequem aufnehmen."

In den jeweiligen Konzertbesprechungen anlässlich der Einweihungsfeierlichkeiten erfährt der Leser dann auch erstmals näheres über die architektonische Ausgestaltung des neuen Saales. So steht in der Landeszeitung vom 21.5.1900 (Morgenblatt) zu lesen: "Das Innere macht sonst einen überaus noblen Eindruck und kommt seiner Bestimmung, den Besucher zur Freude zu stimmen, sowohl durch die angewendeten Formenelemente, als auch durch die gewählten Farbendekoration des Materials in künstlerisch vollendeter Weise nach." Über die Akustik des Raumes gibt die Trierische Zeitung vom 21.5.1900 Auskunft: "Um noch ein Wort über die vielbesprochene Akustik des Saales zu sagen, so können wir nach an verschiedenen Plätzen gemachten Erfahrungen nur sagen, daß sie gut, an einigen wenigen Stellen in der Nähe des Podiums vielleicht sogar zu gut ist, indem dort die Tonwucht unangenehm stark wird. Der Aufbau des Podiums hat einen ausgezeichneten Resonanzboden geschaffen, der der nichts von den auf ihm erzeugten Tönen untergehen läßt. Ein Verwischen der Klangwellen findet nirgends statt, gerade die zartesten Stellen des Gesangs oder Orchesters läßt die Akustik selbst im äußersten Winkel in voller Klarheit hervortreten."

Den Zweiten Weltkrieg überdauerte die Treviris samt ihrer Orgel ohne nennenswerten Schaden. Jedoch als Folge einer geradezu blinden Bauwut in den 70er Jahren musste dieses Gebäude einer modernen Einkaufspassage weichen. Von den vielen Bausünden im Trier der Nachkriegszeit stellt der Abriss der Treviris sicherlich einen in kultureller Hinsicht gesehen eklatanten Höhepunkt dar.

Wolfgang Valerius

 

Ob von Beginn an auch eine Orgel für den Saalbau geplant war, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Zwar ist eine Nische an der Stirnwand der Bühne vorhanden, doch spricht anlässlich der Einweihungsfeierlichkeiten noch niemand über eine im Bau befindliche Orgel und deren spätere Aufstellung an dieser Stelle. Einzig das Fehlen eines entsprechenden Instrumentes wird in der Besprechung der Landeszeitung (vom 21.5.1900) aus Anlass des Musikfestes bedauert: "Schade nur, daß die Bühne nicht etwas größere Proportionen aufzuweisen hat, insbesondere wenn man erwägt, daß ein moderner Konzertsaal, der doch als Monumentalbau für die kulturhistorische Entwicklung einer Stadt heutzutage gelten kann, eine Konzertorgel schwerlich entbehren darf und diese nach Anlage des Ganzen dort ihren Platz finden muß."

Und der Berichterstatter der Trierischen Zeitung (vom 21.5.1900) stellt schlicht fest: "... eine Orgel fehlt leider noch."

Doch die neue Orgel läßt nicht lange auf sich warten. Am Freitag, dem 19. Oktober 1900, kündigt die Trierische Zeitung für nachmittags 4 Uhr "das Probespiel auf der neuerbauten großen Orgel" in der Treviris an. Die Orgel, ein Werk der Firma Heinrich Voit und Söhne aus Durlach, trägt hiernach die Opuszahl 896. Wenig Kenntnis von der Funktion einer Orgel zeigt der Artikel dann in den folgenden Zeilen, wenn es heißt: "Da es sich um eine Konzertorgel handelt, sind mehrfache Abweichungen von dem Bau der Kirchenorgel möglich gewesen. Das Ziehen der Register fällt z.B. fort, an seine Stelle treten mehrfache Manuale, die 2500 Pfeifen werden ohne Mechanik rein pneumatisch durch ein elektrisches Gebläse zum Tönen gebracht."

Tags darauf steht in selbiger Zeitung folgender Artikel zu lesen: "Eine zahlreiche Zuhörerschaft hatte sich gestern Nachmittag in der Treviris eingefunden, um der ersten Benutzung der neuen Orgel beizuwohnen.  .. Professor F.W. Franke aus Köln nahm an der eleganten doppelten Klaviatur des Riesenwerkes - die größten Pfeifen haben eine anständige Höhe von 8 1/2 Meter - Platz und führte mit Meisterschaft ein aus folgenden Nummern bestehendes Programm durch: Das Hallelujah aus Händels "Messias", ein vom Spieler komponiertes Choralvorspiel, eine Phantasie von Brosig, ein Konzertstück von Guilmant und die Variationen des in Mainz verstorbenen größten deutschen Orgelspielers der letzten Jahrzehnte, Friedrich Lux (dem seine Vaterstadt Ruhla im Sommer ein Denkmal errichtet hat), über "O du fröhliche, o du selige". Das vollkommenste Musikinstrument ist jetzt in Trier in einem Exemplar vertreten, das mit allen Erfindungen und Verbesserungen der Neuzeit ausgestattet ist und selbst sehr weit getriebene Anforderungen an Fülle, Vielseitigkeit und Wechselfähigkeit vollauf entspricht. Brausten die mächtigen Akkorde des Hallelujah mit imposanter Kraft durch den weiten Raum, so bot die Frank‘sche Einleitung zum Gesang der Gemeinde den weichen, runden, sich einschmeichelnden Tönen Gelegenheit, sich in allen Lagen hören zu lassen und bei den künstlich verschlungenen folgenden 3 Nummern wechselten die verschiedenen Stärkegrade und Klangfärbungen in oft überraschender Weise ab. Wie schon erwähnt, braucht der Spieler bei dieser durch Elektrizität betriebenen Orgel kein Register mehr zu ziehen; an ihre Stelle sind zahlreiche Knöpfchen nach Art der elektrischen Klingel getreten, die nur angetippt zu werden brauchen, um die betreffende, durch Schildchen bezeichnete Stimme zum Gebrauch frei zu machen. Das Harte eint sich mit dem Zarten, die Fanfare mit dem leisesten Flötenhauch im Dienste der Frau Musika. Für das Musikleben Triers bedeutet diese Konzertorgel einen nicht hoch genug zu schätzenden Gewinn. Von den Oratorien abgesehen, in welchen vielfach der Orgel ein gewichtiges Wort zufällt oder zufallen sollte, bietet diese die Möglichkeit, Chor- und Orchestervorträge in einer Weise zu unterstützen, die man bisher nicht gekannt hat. Die Treviris verdient dank für die Bereicherung ihres Prachtsaales mit diesem wundervollen Instrument und zu wünschen bleibt nur, daß es recht häufig von berufenen Händen benützt werden möge."

Bei aller Vorsicht, die in der Regel bei solch überschwenglichen Worten geboten ist, so scheint diese Orgel doch aufgrund ihrer Qualität weit über die Grenzen Triers hinaus bekannt gewesen zu sein. So führt der Wormser Domorganist Karl Lehr in seinem 1912 erschienenen Buch "Die moderne Orgel in wissenschaftlicher Beleuchtung" gerade die Trierer Treviris-Orgel, die erste Orgel der Firma Voit für einen Konzertsaal überhaupt, als Musterbeispiel für die zeitgemäße und in allen Punkten ausgewogene Registerzusammenstellung einer Orgel an. Aber auch der Prospekt, der die ganze Breite der Nische füllte und bis unter den Korbbogen hochgeführt war, darf im Vergleich mit anderen Saalorgeln dieser Zeit als besonders gelungen angesehen werden.

Die Treviris-Orgel, deren Schauseite Hermann Fischer und Theodor Wohnhaas (siehe hierzu: Hermann Fischer und Theodor Wohnhaas, Zur Ästhetik der Freipfeifenprospekte. In: Alfred Reichling (Hrsg.), Aspekte der Orgelbewegung, Kassel 1995.) als eleganten Jugendstilprospekt mit geschwungenem, fast kreisrundem Umriss beschreiben, war also nicht nur klanglich ein scheinbar hervorragendes Instrument, sondern auch in ihrer äußeren Erscheinung ein überaus bereicherndes Schmuckstück des ganzen Saales. Dies ändert sich erst mit dem Jahr 1947. Das Theater war im Krieg zerstört, und so zog man 1946 in die Treviris, die dann bis 1949 als Ersatzspielstätte diente. Unter der Überschrift "Hinter den Kulissen des Stadttheaters" steht am 26. September 1947 in der Trierischen Volkszeitung dann folgendes zu lesen: "... Durch den Abbau der auf der Bühne befindlichen Orgel wurde zunächst eine zusätzliche Bühnentiefe von drei Metern gewonnen ... Die abgebauten Teile der Orgel sind in einem besonderen Raum untergebracht. Im kommenden Jahr soll die Orgel durch die Trierer Orgelbaufirma Sebald elektrifiziert und an der Rückwand der Galerie neu eingebaut werden. Um eine einwandfreie Akustik zu gewährleisten, wird bei dieser Gelegenheit das dritte Manual auf einer Seite der Bühne angebracht, so daß die Dynamik dieses Manuals schwach einsetzten kann, bevor das Hauptwerk voll in Tätigkeit tritt. Ziel dieser Maßnahme ist die akustische Illusion eines einheitlichen Klanges im Zusammenspiel von Orchester und Orgel. ..." Dieser Plan wurde jedoch verworfen.

Stattdessen beauftragte man die Firma Gebr. Späth aus Ennetach-Mengen in Württemberg mit dem Um- und Wiederaufbau der Orgel "im rückwärtigen Teil des Saales, noch hinter den Stuhlreihen der Zuschauer" (Trierische Volkszeitung vom 10.11.1948). Um tagsüber den Theaterbetrieb nicht zu stören, wurden die Arbeiten zumeist in den Nachtstunden ausgeführt. Der Artikel schließt mit dem Satz: "Dann besitzt der Treviris -Saalbau neben der Bühne alle Voraussetzungen für die Pflege musischen Geistes im großen Rahmen, einschließlich der Orgelkonzerte."

Anscheinend war man sich der Tatsache nicht bewusst, dass die Versetzung der Orgel auf die rückwärtige Galerie der originären Intention einer Konzertsaalorgel widersprach, denn von hier war das Zusammenspiel mit Chor- und Orchester aufgrund der Entfernung nun nur noch bedingt möglich. Weiterhin war sie aus dem Blickfeld des Betrachters verschwunden, was ihre Attraktivität als Soloinstrument sicherlich nicht steigerte, da man nun von den meisten Plätzen den Organisten bei seiner "Arbeit" am Spieltisch nicht mehr sehen und erleben konnte - übrigens ein nicht zu unterschätzender Grund, warum die Orgel bis heute als Konzertinstrument nicht sonderlich anziehend wirkt. Darüber hinaus waren die Arbeiten der Firma Späth alles andere als zufriedenstellend ausgeführt, denn im ersten Konzert, in dem die Orgel wieder zum Einsatz hätte kommen sollen, versagte sie kurzerhand infolge "technischer Störungen" ihren Dienst.

Das vorläufige Aus für die Orgel kam mit der Einstellung des Konzertbetriebs um 1970. Da die Stadt das ihr angebotene Objekt großzügig ausschlug, wurde die Treviris schließlich an einen privaten Investor verkauft und damit dem Abriss preisgegeben. (Siehe hierzu: Birgitt Bous, Stadtgestaltung und Denkmalpflege am Beispiel der Treviris. In: Kunststoff Nr. 19, Trier 1983, S. 79-87.) Über das Schickal der Orgel heißt es im Neuen Trierischen Jahrbuch von 1974: "Der Saalbau der Treviris steht leer! Obschon Trier kaum Säle hat und die Treviris in ihrer Art ein Baudenkmal ihrer Zeit darstellt, soll sie abgebrochen werden und einem Neubau weichen. Erfreulich am Rande dieses Geschehens, daß wenigstens die gute Konzertorgel erhalten blieb. In begrüßenswertem Einvernehmen zwischen dem alten und dem neuen Eigentümer des Treviris- Grundstücks wurde sie der Filiale Mückeln der Pfarrei Strohn (Eifel) geschenkt und erklingt bereits in der dortigen Kirche." Glücklichen Umständen ist es also zu verdanken, dass die Orgel heute noch, wenn auch längst nicht mehr in originaler Gestalt, erhalten ist. Paul Kön aus Rachtig hat die Orgel 1974 in Mückeln aufgestellt und nach damaligem Zeitgeschmack auch einen gravierenden Eingriff in die originale Klangsubstanz der Voit-Orgel vorgenommen. (Zum Vergleich der alten mit der jetzigen Disposition siehe: Die Voit-Orgel in der Stadthalle Heidelberg. Orgelrestaurierung - ein Beitrag zur Kulturgeschichte, Heidelberg 1993, S. 69.) Wenngleich noch einige Gehäuseteile erhalten sind, so ging doch der wunderschöne Prospekt, der schon bei der Versetzung der Orgel in den 1940er Jahren gelitten hatte, bei der Aufstellung in Mückeln verloren, da die Platzverhältnisse in der dortigen Kirche eine Übernahme nicht zuließen.

Wolfgang Valerius

 

Die originale Disposition von 1900 lautet wie folgt:

Disposition der Voit-Orgel in der Treveris

I. Hauptwerk
1. Manual
C - g3

Prinzipal 16
Prinzipal 8
Gamba 8
Konzertflöte 8
Bordun 8
Dolce 8
Trompete 8
Klarinette 8
Oktave 4
Rohrflöte 4
Gemshorn 4
Piccolo 2
Mixtur 4fach
Cornett 5fach

II. Schwellwerk
2. Manual
C - g3

Bordun 16
Prinzipal 8
Salicional 8
Quintatön 8
Äoline 8
Vox coelestis 8
Cor anglais 8
Traversflöte 4
Praestant 4
Harm. aetherea 3fach

Pedal
C - g3
 
Kontrabaß 16
Subbaß 16
Violonbaß 16
Gedacktbaß 16
Posaune 16
Oktavbaß 8
Flötbaß 8
Violoncell 8