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Hermann Fischer, Aschaffenburg

Frühe Orgelnachrichten aus Kurtrier

Die Stadt Trier ist eine römische Gründung unter Kaiser Augustus, daher der Name Augusta Treverorum, und war Mittelpunkt der Provinz Belgica. Im 2. Jh nach Christus fasste hier das Christentum Fuß, im Jahre 293 wurde es kaiserliche Residenzstadt des weströmischen Reiches zwischen England und Gibraltar für etwa ein Jahrhundert. Kaiser Konstantin d.Gr., der das Christentum offiziell zur Staatsreligion machte, residierte hier und hinterließ zahlreiche Bauwerke, u.a. die Basilika, den Kernbau des Domes und die berühmte Porta nigra. Die Trierer Bischöfe gehörten zu den angesehensten im Reich.

Nach dem Untergang des weströmischen Reiches im Jahre 476 wurde Trier Sitz fränkischer Grafen und es blieb weiterhin Bischofssitz. Seiner Bedeutung entsprechend wurde es später auch Erzbistum und blieb es bis zum Jahre 1802; zur Trierer Kirchenprovinz gehörten einst die Bistümer Metz, Toul und Verdun. Das Erzbistum umfaßte im Mittelalter ein größeres Gebiet als heute. Es reichte im Westen von der Maas bei Sedan über die Ardennen und das heutige Luxemburg bis an den Rand der Wetterau bei Gießen im Osten. Die Mosel und östlich des Rheins die untere Lahn bildeten gewissermaßen die Mittelachse des langgestreckten, aber relativ schmalen Erzbistums mit fast 300 km Länge, aber im Schnitt nur etwa 50 km Breite. Das heutige, seit 1802 bestehende  Bistum gehört seit 1821 zur Kölner Kirchenprovinz; ihm fehlt im Westen das Archidiakonat Luxemburg, im Osten das Archidiakonat Dietkirchen, das an die neugebildete Diözese Limburg fiel. Dafür wurden im Süden, im Nahe-Glan-Gebiet ehemals mainzische, und an der Ahr entlang ehemals kölnische Pfarreien Trier zugeschlagen.

Der Bereich des Bistums oder der Diözese, in dem der Bischof bzw. Erzbischof sein geistliches Hirtenamt ausübte, ist nicht zu verwechseln mit dem weltlichen Territorium, in dem der Erzbischof auch die weltliche Macht, wir würden heute sagen, die politische Macht als Landesherr innehatte bzw. ausübte. Dazu gehörten außer der Stadt Trier und ihrer Umgebung zahlreiche Ämter entlang der Mosel und in der Eifel bis zum Rhein bei Koblenz und darüber hinaus bis nach Montabaur und Limburg. Die Grenzen dieses Territoriums waren ganz unregelmäßig, es gab viele fremde Enklaven, aber auch ebensoviele Exklaven d.h. außerhalb liegende Besitzungen, kurz, es war kein einheitliches Gebiet, sondern ein Fleckerlteppich, in dem sich nach und nach ein durchgehender Zug entlang der Mosel bildete mit territorialen Ausfransungen nach Norden, Süden und Osten. 

Dieses weltliche Territorium, in dem der Trierer Erzbischof Landesherr war, war rangmäßig im Deutschen Reich ein Fürstentum, selbstverständlich reichsunmittelbar und nur dem Kaiser unterstellt. Seit Anfang des 13. Jhs. gehörten die Erzbischöfe von Trier zu den „Königswählern“, also zum Wahlgremium, das den Kaiser zu wählen hatte, daher die Bezeichnung Kurfürstentum Trier, oder kurz Kurtrier. Der Trierer Kurfürst bekleidete wie seine Amtskollegen von Mainz und Köln, ein sog. Erzamt im Reich, nämlich das eines Erzkanzlers für Burgund und hatte bei der Kaiserwahl und -krönung bestimmte Funktionen. Er gab z.B. als erster seine Stimme ab.

Für unser Thema ist also der Rahmen geographisch abgesteckt, dem wir uns nun zuwenden wollen. Keine deutsche Landschaft kann sich bis jetzt rühmen, eine so frühe Orgeldarstellung zu besitzen, wie die Gegend von Trier, nämlich der bekannte römische Mosaikboden in Nennig, etwa 30 km moselaufwärts am Dreiländereck von Rheinland-Pfalz/Saarland/Luxemburg. Das 1852 entdeckte Mosaikbild war eine archäologische Sensation. Es stellt eine Hydraulis oder Wasserorgel dar, ein sechseckiger Unterbau mit dem Wassergefäß und den seitlich angebrachten Luftpumpen, darüber die Pfeifenreihe mit der schiefwinkligen Halteleiste und dahinter der Organist. Die Orgel spielte zusammen mit einem Hornisten. Der Mosaikboden einer römischen Villa beweist, dass die antike Hydraulis-Orgel als weltliches Instrument schon hier verbreitet war.

Es gehört zu den großen Winkelzügen der Geschichte, dass Entwicklungen manchmal große Umwege machen, ehe sie wieder durchgängig manifest werden. So gelangte die römische Hydraulis nicht auf direktem Wege in die Zentren der frühmittelalterlichen fränkischen Herrschaft, sondern auf dem Umweg über Konstantinopel, dem damaligen Ostrom, als der dortige Kaiser Konstantin Kopronymus im Jahre 754 dem Frankenkönig Pipin ein solches Instrument schenkte. Dieser Vorgang wird nahezu in allen Chroniken der damaligen Zeit besonders erwähnt. Seine symbolische Bedeutung liegt in der Tatsache, dass der oströmische Kaiser den Frankenkönig als legitimen Nachfolger des untergegangenen weströmischen Reiches anerkannte.

In den darauffolgenden Jahrzehnten breitete sich die Orgel in Westeuropa aus, nun in der Regel als Balgorgel, und wird zunehmend durch ikonographische Darstellungen belegbar. Wie und wann der Übergang vom rein weltlichen zum kirchlichen Instrument sich vollzog, bleibt schleierhaft; doch die Tatsache als solche ist durch die zahlreichen Miniaturen in liturgischen Handschriften eindeutig belegt. 

Aus der vorreformatischen Zeit, also bis etwa 1550 gerechnet, liegen eine Reihe von Orgelnachrichten vor aus dem Dreieck Frankfurt-Köln-Trier. Das ist der Kern der Kulturlandschaft Mittelrhein, wie man sie heute nennt. Schneidet man von diesem Dreieck die Nordspitze ab, das ist der beginnende Niederrhein ab Bonn, sowie die Ostspitze, das ist im wesentlichen der Taunus, so bleibt Kur-Trier als Filetstück übrig.

TRIER

Beginnen wir mit der Stadt Trier.
Das älteste Dokument zum Trierer Orgelbau findet sich in der Stadtrechnung der Jahre 1363/64, in welcher ein Orgelmacher Everhart als Bürger genannt wird. Über seine Tätigkeit ist im übrigen nichts bekannt. 

Die früheste Erwähnung der Domorgel datiert von 1381. Damals führte ein Meister Thomas eine Reparatur aus. Es wurden hauptsächlich Balgarbeiten ausgeführt, der genannte Meister Thomas war offenbar ein Schuhmacher.  Als 1387/88 erneut repariert wurde, sind zwei Meister Thomas beteiligt. Der eine war der Balgschuster, der andere der Domorganist, der sich auch als Orgelbauer betätigte. Über die Orgel läßt sich folgendes sagen: Es wurden zu zwei vorhandenen Bälge zwei neue hinzugefügt. Sie bestand aus einem Oberwerk mit zwei Orgelflügeln und darunter wurde eine kleinere Türe angebracht, zu deuten vielleicht als ein brustwerkartiges vorhandenes Werk, oder auch als Rückpositiv. Oben auf der Orgel stand ein Engel mit der Fahne. Bereths meint, es könne mit dem „angelus – Engel“ auch das Oberwerk gemeint sein. Die Anfertigung neuer Tasten aus „Palmholz“ spricht für eine Erweiterung. Noch völlig unklar ist hier die Bezeichnung „registra organorum“. Würde man den Begriff im heutigen Sinne deuten, wäre das eine Sensation. 

In den Jahren 1464/65 wurde ein Orgelneubau abgerechnet. Die Einträge sind aufgeteilt auf die Materialkosten, auf deren Beschaffung und Anlieferung und schließlich auf die genau verzeichneten Arbeitstage und Löhne. Es wurden z.B. 6421 Nägel der verschiedensten Art gebraucht, 46 Pferde- und 24 Schaffelle, natürlich viel Holz, Zinn, Blei und dergleichen. Merkwürdig ist, dass für den Orgelbauer Meister Peter keine Rechnungsposten verzeichnet sind, wohl aber peinlich genau für alles andere. Daraus schließe ich, dass er einen Sondervertrag hatte und nicht aus der Kirchenfabrik bezahlt wurde. Über die Orgel selbst lässt sich nur sagen, dass es ein Neubau war mit einer neuen Windlade und 8 neuen Bälgen, für die eigens ein Balghaus errichtet werden mußte. Oben befand sich ein Stern, auch ist die Rede von „Hommel Piefen“. Das waren wahrscheinlich große Bordun-Pfeifen in gesonderter Aufstellung seitlich des Gehäuses. Wieder nicht genau bestimmbar sind die 16 „Registereisen“ für „Diskant“ und „Coppel“.

Beim Neubau der Domorgel 1537 durch Peter Breissiger oder Briesger aus Saffig werden 2 alte Register übernommen, nämlich die Coppel „im Gesicht“, aus Holzpfeifen mit Zinn überzogen bestehend, und die „Mixtur oder Location.“ Coppel ist die alte Bezeichnung für Principal. Arnold Schlick nennt 1511 den Hintersatz „Mixtur oder Locatz.“ Ich denke mir, dass es sich um eine Doppel- oder Ventillade gehandelt hat, so dass die beiden Stimmen, Coppel und Mixtur zusammen oder getrennt zu spielen waren; es könnte auch sein, dass sie auf zwei verschiedenen Klaviaturen, wie in Halberstadt, erklangen.

Wie gesagt, baute Peter Breissiger 1537 eine neue Domorgel mit folgender Disposition:

1.Koppel 16´ durch Manual und Pedal, vorn im Gesicht, wohl aus Blei, mit Zinn überzogen. Wie die vorige
2.Octav 8´ durch Manual und Pedal
3.Eine starke Lokation oder Mixtur wie die alte
4.Eine starke Zimbel durch Manual und Pedal
5.Ein Holpfeifen Baß 8´
6.Ein Posaunenbaß 8´, die Korpora aus überzinntem Eisenblech
7.Ein Nachthorn im Diskant von h° - a²
8.Ein wohllautender Zink ebenfalls im Diskant
Dazu ein Trom, wohl Trommel oder Tremulant, der zu den Trompeten, Schalmeien, Schwegeln oder Zwerchpfeifen wohlgestimmt sein müsse.

Ein zweites Klavier als Oberwerk oder Rückpositiv, ausgeführt wurde wohl das erstere:
1. Quintaden 8´
2. Koppel 4´
3. Octav von 1´ 
4. Ein scharfe Zimbel
5. Eine Hohlpfeife von 4´
6. Eine Fleut von 2´
7. Eine Schalmei von 4´ durchgehend
8. Eine wohlschallende Zwerchpfeife

Das Principalwerk soll 5 Fa oder f und eine Terz darüber haben, geht also von Kontra-F – a² ohne gs², das Rückpositiv nur 4 F, also 3 Oktaven von F – a², wie es im 16. Jh. die Regel war.

Dem Dokument beigefügt ist eine Registrieranweisung von Breissiger selbst, die sowohl mit Registerbezeichnungen als auch mit Registersymbolen niedergeschrieben ist. Die Interpretation ist nicht ganz einfach, wurde schon von Hans Klotz und Martin Blindow vorgenommen. Darauf kann aber in diesem Rahmen nicht eingegangen werden. Soviel also kurzgefaßt zur Frühgeschichte der Domorgel.

An zweiter Stelle, was das nachweisbare Alter betrifft, steht die ehemalige Stiftskirche St. Paulin, der Vorgängerin des heutigen Barockbaues. Die ursprünglich romanische, 1148 geweihte Kirche, hatte nachweislich im Jahre 1409, wahrscheinlich aber schon viel früher, eine Orgel. Das berichtet Philipp Schmitt in seiner 1853 erschienen Kirchenchronik. Die Orgel befand sich auf der Evangelienseite, hoch oben an der Nordwand des Chores. Leider sind keine weiteren Quellen über die frühe Orgelgeschichte von Paulin erschlossen. Nach der Beschießung und dem drohenden Einmarsch der Franzosen 1674 wurde am 10. Mai die Orgel von St. Paulin abgetragen und in den Dom geschafft. 14 Tage später sprengten die Franzosen die Kirche und sämtliche Stiftsgebäude.

Auch für die dem Dom südlich angebaute Liebfrauen-Basilika mit dem nahezu kreisförmigen Grundriß und einem einzigartigen gotischen Innenraum – die Kirche wurde 1235-1260 erbaut – ist die Orgel sehr früh nachgewiesen. So geben  Eintragungen in den Chorbüchern Hinweise auf die Aufführungspraxis und die Tätigkit der Orgel, wie Franz Bösken ermittelte. Im Graduale Trevirense von 1435, das aus Liebfrauen stammt, ist die Ostersequenz „Laudes salvatori“ folgendermaßen notiert: Die erste Zeile spielte die Orgel, die folgende der Chor. In den folgenden Doppelzeilen beginnt immer die Orgel, die die neue Melodie vorspielt. Über das Gloria lautet der Eintrag: Das „Benedicimus“ spielt die Orgel, das „Adoramus“ singt der Chor, das „Glorificamus“ wieder die Orgel usf.
Mehr ist zur Zeit über die vorreformatorische Orgelgeschichte von Liebfrauen nicht bekannt. Man weiß nur, daß die Orgel ursprünglich auf einer Empore über der Verbindungstüre zum Dom im Nordquerschiff stand, und daß sie 1624 von Thomas Depré aus Trier repariert wurde..

Die Stadtpfarrkirche St. Gangolf erhielt wahrscheinlich kurz nach ihrer Vollendung und Weihe 1459 ihre erste Orgel. 1492 zahlte der Rechner „dem Organisten die Orgel zustymen und vor leder und Drayt und Gezuch das er darzu gebrucht hat, III Gulden und VI albus.“ Die vorliegenden Ausgaben aus dem 16. Jh. geben nur Auskunft über Organisten-Honorare. Mehr über die Orgel erfährt man erst ab dem 17. Jahrhundert.

Von der Abteikirche St. Matthias sind so frühe Orgelnachrichten nicht bekannt. Nach dem Abtskatalog ließ Abt Petrus II. Weiss um 1566 ein organum minus, die kleine Orgel, auf Bitten seines Konvents errichten. Nach 1600 wurde dann eine große Orgel von einem niederländischen Orgelmacher errichtet, der aber vor der Fertigstellung starb und als Calvinist außerhalb des Friedhofs bestattet wurde. Man nimmt an, dass Floris Hocque, der die Domorgel erbaut hatte und dann einige Zeit in Trier wohnte, die Orgel vollendet hat. Die Orgel befand sich an der nördlichen Hochwand des Mittelschiffs, wo heute noch die Tür für den Organisten zu sehen ist.
 

KOBLENZ

In Koblenz, dem Zentrum des sog Niederstifts oder der zweiten Hauptstadt von Kurtrier, fand die Orgel schon sehr früh Eingang.

Der Stiftsscholaster  an St. Kastor, Theodoricus de Monthabur, bestimmte in seinem Testament am 9. Juli 1320 für den Orgel-Balgtreter 28 Schillinge an Fronleichnam. Gottesdienst-Stiftungen mit Orgelspiel sind im 14. Jahrhundert mehrfach bezeugt. Sie beweisen einwandfrei das Vorhandensein von zwei Orgeln, der großen und der kleinen, bereits im 14. Jh. 1422 reparierte Meister Thilo, ein Vielzweckhandwerker, die große Orgel. 1448 ist der Orgelmacher Johann Sweiß, wahrscheinlich aus Köln,  mit einem Umbau beschäftigt. Es musste dazu ein Gerüst aufgestellt werden. 1473/74 wird die große Orgel von den Gebr. Johann und Nikolaus Smydburg reformiert d.h. erneuert und für die Bälge ein eigener Aufbau errichtet. 1489 baute der Frankfurter Barfüßer Leonhard Mertz die kleine Orgel neu und brachte sie über dem letzten Joch des rechten Seitenschiffs an. Die alte hatte auf dem Lettner gestanden. 1537 wird dem Meister Peter, zweifellos Peter Briesger, der Bau einer neuen Orgel übertragen, über die weiter nichts bekannt ist.

Im Jahre 1467 nahm das Stiftskapitel von St. Florin ein Kapital von 350 fl auf, um damit die große Orgel, die neuen Fenster, das neue Gewölbe am Eingang finanzieren zu können. Damals wurde die alte romanische Emporenkapelle abgebrochen, das große Westfenster und die Empore eingebaut, sowie eine neue große Orgel gefertigt. Der Orgelmacher war jener Meister Petrus, der auch in Trier, Oberwesel und Aschaffenburg nachzuweisen ist. Wahrscheinlich war vorher schon eine Orgel vorhanden. Ein Schwalbennest-Standort an der Nordwand des Mittelschiffs ist nachgewiesen. 1534 wurde das Werk des Meisters Peter von 1467 von dem schon genannten Peter Briesger erneuert. Glücklicherweise ist der Bauvertrag mit der geplanten Disposition erhalten. Aus dem Vertrag ergibt sich die alte Disposition von vor 1534. Demnach baute Meister Peter 1467 folgendes Werk: 
Im Manual: Coppel, Mixtur, Zymmel, Trompten und Ruschwerk; dazu nachträglich eine Hohlpfeif. Im Rückpositiv: Principal, Quintaden, Fleut und Mixtur. Das Pedal war an zwei Manualregister angehängt. Dies ist eine der ältesten, vielleicht sogar die älteste bekannte registrierbare Orgel, die über so viele selbständige Stimmen verfügt (9 Register auf zwei Manualen). Vorausgesetzt natürlich, dass nicht in der Zwischenzeit ein unbekannt gebliebener Umbau stattfand, der aber in den Quellen nicht nachzuweisen ist.

In der Koblenzer Liebfrauenkirche war ebenfalls schon 1466 eine Orgel längst vorhanden, sie wurde damals neu gestimmt. 1476 wurde sie wahrscheinlich erweitert, jedenfalls aber repariert durch einen Orgelmacher Johannes, wahrscheinlich Johannes Smydburg, der vorher in St. Kastor gearbeitet hatte. Wie dort wurde ein Balghaus gebaut. An der nördlichen Hochschiffwand hing die Orgel, der vermauerte Zugang zur Schwalbennestempore ist noch nachweisbar. 1519 reparierte Orgelmacher Peter (wahrscheinlich Briesger) ein zerbrochenes Positiv, das noch bis 1685 gebraucht wurde und wohl auf dem Lettner gestanden hat.

Ein sehr früher Nachweis existiert auch für die Koblenzer Deutschordenskirche: Nach der Rechnung des Landkomturs Klas von Gielsdorf  für das Jahr 1447/48 erhielt ein „Meister Pauwels 3 Gulden op dat Orgelwerk“. Mehr kann ich allerdings nicht sagen über die Frühgeschichte dieser Orgel.

Damit ist natürlich der vorreformatorische Orgelbestand in unserem Gebiet keineswegs erschöpft.
Ich bringe jetzt die weiteren Beispiele aus der Region in alphabetischer Reihenfolge.

AHRWEILER

Von der Pfarrkirche in Ahrweiler, das früher zu Kur-Köln gehörte, wissen wir, dass man 1525 mit dem Bau einer Orgel beschäftigt war. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die neue Orgel eine alte, aber kleinere abgelöst hat.

ANDERNACH

In der ebenfalls kurkölnischen Stadt Andernach beschafften sich die Minoriten für ihre Kirche, der heutigen ev. Christuskirche, 1407 ihre erste Orgel. In den Klosterannalen wird berichtet, dass die Orgel 1662 von ihrem alten Standort im Ostchor (ex parte australi chori) an die Westseite der Kirche (ad posteriorem partem navis ecclesiae) auf die neu geschaffene Empore versetzt wurde. Auf den Orgelflügeln stand geschrieben: „Hoc opus perfectum anno MCCCCVII festo S. Georgii.“ 

Die Andernacher Liebfrauenkirche, die den Ruf genießt, eine der schönsten romanischen Kirchen des Rheinlandes zu sein, hatte sicherlich auch schon im 15. Jh. eine Orgel. Nachgewiesen ist sie jedoch erst für das Jahr 1516. Im genannten Jahr verdingte der Rat mit Peter Briesger am Mittwoch nach „ad vincula sancti Petri“ , das war der 6. August, eine neue Orgel für 50 Goldgulden, für ihn und seinen Knecht ein halbes Jahr die Kost, für ihn einen englischen Rock und für den Knecht einen Rock von gewöhnlichem Tuch. Dem Preis nach war die Orgel nicht sehr groß; denn 1538-42 baute derselbe Peter Briesger ein neues größeres Werk, diesmal für 240 Goldgulden, was für ein Nebeneinander von großer und kleiner Orgel spricht. Wahrscheinlich wurde diese Orgel 1625 im Zusammenhang mit der Anschaffung eines Positivs von ihrem bisherigen Platz an einen neuen Standort, nämlich die Orgelbühne zwischen den beiden Westtürmen, transferiert.

BACHARACH

Die Stadt Bacharach am Rhein, ursprünglich kurkölnisch, gehörte bis 1806 den Pfälzer Wittelsbachern. Nach Bösken soll in der Kirche St. Peter, die heute evangelisch ist, 1524 der Meister Jakob tätig gewesen sein, der auch in Koblenz, Oberwesel und Oppenheim nachgewiesen ist. 1531 stiftete der Erzbischof von Trier eine Orgel, als die Kirche noch katholisch war. Außer diesen dürftigen Hinweisen ist mir über die vorreformatorischen Orgeln nichts bekannt.

Merkwürdigerweise haben wir von den Zisterziensern in Himmerod, den Benediktinern in Maria Laach und Prüm nur spärliche Orgelnachrichten aus der Frühzeit.

In HIMMEROD ließ Abt Ambros Schneidt aus Cochem um 1600 die Orgel der Abteikirche vergrößern; es war also eine im 16. Jh. vorhanden.

MARIA LAACH

In Maria Laach hinterließ Abt Machhausen ein um 1560 persönlich illuminiertes Sakramentar mit verschiedenen Gesängen, das erkennen läßt, dass man damals noch ohne Orgel sang. Die Orgel wurde also vermutlich erst später, wohl im 17. Jh. angeschafft.

PRÜM

Die Abtei Prüm war in den Wirren der Reformation ganz in Verfall geraten. 1574 schilderte der Visitator das ganze Ausmaß: Der Abt war nicht geweiht, trug kein Ordenskleid mehr, im Kloster waren nur noch wenige Mönche. Die Kirche glich einem Stall, es regnete hinein, der Chor glich einem Fischweiher, die Ausstattung war verschmutzt und teilweise verfault, aus der Orgel waren die Pfeifen verschwunden, also gab es eine, die noch aus vorreformatorischer Zeit stammte.

MAYEN

Weiter zurück lässt sich die Orgel bei den Augustinern in Mayen verfolgen. Eine Rechnung des Jahres 1537 besagt, dass Meister Peter, gemeint ist wieder Peter Briesger in Koblenz, die Orgel um 24 Goldgulden renoviert hat. Sie wurde zuerst nach Koblenz, dann wieder zurückgebracht. Das beweist also zweierlei, dass eine Orgel vorhanden war, und dass es sich bei dem Meister Peter in Koblenz nur um Briesger gehandelt haben kann. Auch in Mayen sind keine weiteren Quellen aufgeschlossen.

MÜNSTERMAIFELD

Dagegen werden wir in der Stiftskirche zu Münstermaifeld wieder fündig. Dort enthalten die Rechnungen schon 1406 Ausgaben zur Besoldung des Balgtreters. In den Jahren 1501-04 wird eine neue Orgel gebaut, wahrscheinlich von Johann Süß aus Nürnberg, der in einer Urkunde erscheint, aber in den nur unvollständig erhaltenen Rechnungen nicht vorkommt. Hans Süß ist der berühmte Meister, der ab etwa 1500 die Verbindung zwischen Franken, dem Mittel- und Niederrhein in die Niederlande herstellte und zu den Vätern der sog. Brabanter Orgel zählte.

OBERWESEL

Die ehemalige Stiftskirche Unsere Liebe Frau in Oberwesel erhielt schon bald nach ihrer Vollendung in der zweiten Hälfte des 14. Jhs. eine Orgel. Aus den Praesenzrechnungen ab 1400 können wir genau ersehen, an welchen Tagen die Orgel gespielt wurde: Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten, Fronleichnam, Mariä Geburt, Allerheiligen,  Kirchweih, Mariä Empfängnis und am Fest der hl. Magdalena. Im Jahre 1461 wurde die alte Orgel, die schon 1401 vorhanden war, abgebrochen und durch eine neue ersetzt. Am Montag nach Neujahr 1461 begann man mit den Holzfuhren und Vorarbeiten. Es wurde ein Gerüst in vier Tagen aufgebaut, um die alte Orgel abzubrechen. Zwei Knechte räumten die Pfeifen und Teile ab und brachten sie in den Kreuzgang. Das nötige Holz wurde in Frankfurt und Mainz eingekauft und auf dem Rhein nach Oberwesel gebracht. Der kurmainzer Zoll musste in Rheinfels entrichtet werden. Das Gehäuse errichtete der Kistler in sieben Wochen, dann wurde der Orgelstuhl mit eisernen Klammern an der Wand befestigt. An die Schwalbennestempore kamen die Wappen der Stiftsherren. Der Mauerdurchbruch in der Mitte des zweiten Langhausjoches über der Arkade ist noch im Dachraum des nördlichen Seitenschiffs festzustellen. Am Schluss der Rechnung erscheint der Orgelmacher, der schon bekannte Meister Peter, mit einer relativ geringen Belohnung. 1505/06 wurde dem Werk ein Rückpositiv angebaut, das fünf Register bekam und wahrscheinlich 40 Töne umfasste, weil so viele Walzen=Wellen gemacht wurden. Der Orgelmacher hieß diesmal Meister Antonius. Bisher ist es nicht gelungen, die Identität dieses Meisters genauer festzustellen. Möglich wäre Antonius von Limburg oder Antonius Mors aus Antwerpen. Kleinere Reparaturen erledigte der schon öfter genannte Meister Jacob 1507, 1511 und 1524.

ST. GOAR

Die ehemalige Stiftskirche von St. Goar, einem linksrheinischen Vorposten der Grafschaft Katzenelnbogen, erhielt mit dem Langhausneubau um 1460 auch eine Orgel. Mit einer Urkunde vom 8.7.1460 wurde das Beneficium des verstorbenen Pastors Wilhelm von Bornich vom Grafen aufgebessert. Es durfte nur an einen Priester verliehen werden, der Orgel spielen konnte. Dieser soll zu allen Messen, an denen es nach der kirchlichen Ordnung gestattet war, die Orgel spielen, die der Graf hat anfertigen lassen. Der Organist von St. Goar musste 1483 auch in Oberwesel aushelfen, als der dortige Organist verstorben war. 1543 wurde die große Orgel repariert.

ST. WENDEL

Auch die Pfarr- und Wallfahrtskirche in St. Wendel im Saarland kann auf eine lange Orgelgeschichte zurückblicken. Die nachgewiesene Organistenbesoldung im Jahre 1465 spricht für ein vorhandenes, vielleicht sogar schon länger existierendes Instrument. Es gibt aber keine näheren Angaben über diese zweifellos erste Orgel. Am 29.8. 1610 schlossen die Trierer Orgelbauer Florenz und Nicolas Hocque mit den Kirchenpflegern einen Vertrag, dass sie das destruierte Orgelwerk zu St. Wendel renovieren wollen, in der Weise, dass sie das Altwerk an Pfeifen, Eisenwerk, Bälgen und anderes übernehmen und ein beständiges neues Werk schaffen . Das Holzwerk, die Schreiner- und Schlosserarbeiten besorgten die Brudermeister selber. Die Orgelbauer erhielten für Material und Lohn 500 Gulden und zwei Malter Korn, das Geld wurde in fünf Raten ausbezahlt. Der gesondert ausgefertigte Bauplan liegt dem Vertrag leider nicht mehr bei.

TRARBACH

In der Stadtkirche von Trarbach, das in einem an die Mosel reichenden Ausläufer der alten Grafschaft Sponheim gelegen ist, also nicht zu Kur-Trier gehörte, war die Orgel auch schon im 15. Jahrhundert vorhanden und wird 1485 erstmals in den Kirchenrechnungen erwähnt. 1520 werden Orgelpfeifen verkauft. Es wird kaum ein orgelloses Interim eingetreten, sondern eine neue Orgel gebaut worden sein. Nach Einführung der Reformation  1557 wurde die Kirche zur Pfarrkirche. 1644/45 wird eine Orgel mit 10 Registern gebaut und noch im 18. Jahrhundert bestätigt.

ENTLANG DER LAHN

Die ältesten Nachweise stammen übrigens von den Stiftskirchen entlang der Lahn, z. B. DIEZ, das zwar nicht kurtrierisch war, aber zum Erzbistum gehörte. 
Hier ist die Orgel schon seit 1325 im Einsatz, wie Franz Bösken nachwies. 

Ebenso in der Stiftskirche im nahen LIMBURG, dem heutigen Dom,  mindestens seit 1331. Der Orgelvertrag von 1471 mit dem Orgelmacher und Vikar Daniel von Hünoff  aus Hadamar nennt die Register Koppel und Mixtur im Hauptwerk und Koppel im Positiv. Wahrscheinlich ist mit den Pfyffen noch ein weiteres Register gemeint. Beim Neubau der Domorgel 1581 mit Johannes Scholl aus Köln wurden folgende Register realisiert:

Im Hauptwerk:
Koppel 12´, Octav 6´, Mixtur, Zimbel, Hohlpfeife 12´, Fleut (6´),  Trompette 6´.
Im Positiv:
Koppel 3´, Octav 1 ½´, Hohlpfeif 3´, Zimbal, Krummhorn 6´, Bartpfeife 6´.

Auch die Liebfrauenkirche in HADAMAR unweit Limburg, eine ehemalige Stiftskirche, hatte eine Orgel, die nach Einführung des reformierten Bekenntnisses nicht mehr gespielt wurde und dann verkommen ist. Es ist auch naheliegend, dass der genannte Vikar Hünoff in seiner Hadamarer Kirche eine Orgel hatte, sie vielleicht sogar gebaut hat.

Die Stiftskirche DIETKIRCHEN bei Limburg hatte laut einem Testament 1294 zwei Organisten, offensichtlich auch eine Orgel, für deren Gebrauch im 14. Jahrhundert immer wieder Stiftungen gemacht wurden. Um 1550 wurde eine neue gebaut, deren Disposition aus einer Registrieranweisung zu entnehmen ist:
Koppel, Octav, Mixtur, Zimbal, Bartpfeife, Hohlpfeife, Quintfleut, Trompete, Krumhorn, (Tremulant, Trommel und Vogel).

Lahnaufwärts in  WEILBURG erweiterte der schon oft genannte Briesger aus Koblenz um 1530 eine vorhandenen 5-registrige Orgel mit den Stimmen Koppel 6´, Octav 3´, Hohlpief 6´, Mixtur oder Lokaitz und Zimbel um zwei weitere Register, nämlich Trompete Baß und Schalmei. 

In WETZLAR ist die Orgel bis 1279 zurück nachweisbar. Das ist die älteste Quelle im Bereich des alten Erzbistums Trier. Die Feststiftungen und Besoldungen aus dem Praesenzregister erwähnen von da an laufend die Beteiligung der Orgel. Organist war 1296 der Vikar Meister Hildebrand. 1474 wurde die große Orgel über dem Maria-Magdalena-Altar „reformiert“, und 1510 wurde eine weitere Orgel über dem Georgs-Altar gebaut und angebracht. Die große Orgel befand sich im Südquerschiff, über den Standort der anderen herrscht noch Unklarheit. Eine alte Disposition, die wir einer Akte des 17. Jhs. entnehmen können, lautet:

Manual: 
Principal 8´, Octav 4´, Quintain, Mixtur, Zimbel, Regal oder Posaune, Quintfleut und Hohlpfeif.
Rückpositiv: 
Principal 4´, Octave, Quinte, Fleyte und Regal.
Das Pedal war angehängt.
 

Die Ausbeute an vorreformatorischen Orgelnachweisen ist, wie wir festgestellt haben, nicht schlecht. Doch müssen wir auch sehen, dass die nachgewiesenen Orgeln im wesentlichen entlang der Mosel, des Rheins und der Lahn zu finden sind. Hier befanden sich die wohlhabenden Stifts- und Stadtkirchen, während die ländlichen Gebiete des Hunsrücks, der Eifel und des Westerwalds erst viel später, teils in der Barockzeit, die meisten aber erst im 19. oft auch erst im 20. Jahrhundert in den Genuss von Orgeln und ihrer Musik kamen. 
Unklar bleibt die Rolle der Orgel in den Abteikirchen; denn es fehlen entsprechende Nachweise aus dem 15. Jh. Das kann quellenbedingter Zufall sein, ist aber auch andernorts so zu beobachten. Jedoch zu den frühesten Orgelfreunden gehören die Bettelorden, hauptsächlich die Franziskaner, deren Ordensmitglieder in vorreformatorischer Zeit häufig als Orgelbauer tätig waren. Das änderte sich nach 1500, als der Orgelbauerberuf immer mehr von bürgerlichen Handwerksmeistern ausgeübt wurde.
 

LITERATUR

Franz Bösken, Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (Beiträge zur mittelrheinischen Musikgeschichte, hrsg. Von der Arbeitsgemeinschaft für mittelrheinische Musikgeschichte, Nr. 6), Band 1, Mainz und Vororte, Rheinhessen, Worms und Vororte, Mainz 1967 (Orgelgeschichtlicher Überblick).

Derselbe, Band 2, Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden, Mainz 1975 (Quellen zu Dietkirchen, Diez, Limburg, Weilburg und Wetzlar).

Franz Bösken/Hermann Fischer, Band 4, Regierungsbezirke Koblenz und Trier (ohne den Rhein-Lahn- und den Westerwaldkreis), ungedrucktes Manuskript (in Vorbereitung zum Druck).

Gustav Bereths, Beiträge zur Geschichte der Trierer Dommusik, Mainz 1974  (Domorgel Trier).

Matthias Thömmes, Orgeln in Rheinland-Pfalz und im Saarland, Trier 1981 (Orgelgeschichtlicher Überblick).

Friedrich W. Riedel, Die Eifel-Mosel-Hunsrück-Region als Orgellandschaft, in: Ars Organi 46/1, 1998 (S.2-9)
 

Hermann Fischer